Traumreisen

Die Nachtbuchschreiber

Ich bin der 1. Vorsitzende des Tagebuch-Hasservereins, eigentlich, offiziell.

Wer schreibt der bleibt, heißt es. So bleibt der Tagebuchschreiber immer im geschäftigen Tag gefangen, auch wenn er versucht, den Tag zu reflektieren um zur Ruhe zukommen, angeblich. Im Grunde spült er aber nur das dreckige Geschirr des Tages ab und deckt den inneren Tisch für den nächsten Tag.

Die Nacht aber, mit ihren Nischen, dunklen Ecken und Wunderkammern, entgeht seiner Beschreibung, weil für ihn die Nacht nur ein Zwischenspiel ist, eingeklemmt zwischen zwei Tagen, ihr mal mehr, mal weniger Raum zugestanden wird. 

Begegnungen, Impressionen

Dieser eine Moment

Zuerst war das so ein Gefühl, etwas Unbekanntes etwas Neues. Eine Spannung baut sich auf. Irgendwie komisch?! Nun ja, es geht weiter!? Oder doch nicht…?

Wir müssen kämpfen gegen was auch immer. Hauptsächlich gegen uns selbst. Gegen unsere innere Unruhe, Ungewissheit, Spannung und gegen dieses neue Gefühl.

Das ist es wieder, dieses Wort – Gefühl – . Warum immer fühlen? Macht mich das aus? Fühlen? Gefühl haben, kann man überhaupt: Gefühle besitzen? Ach Gott, wo wandern denn jetzt nur meine Gedanken hin? 

Impressionen

Fressschneisen der Holzerntemaschinen

Heut nacht friert es wieder. Gerade war der Pfirsichbaum aufgeblüht. Schon die letzte Nacht gab ihm zu viel Kälte, die Blüten heute waren dunkel und müde. Diese Nacht wird ihm den Rest geben. Die Aprikose? Es würde mich wundern, wenn es die ein oder andere Blüte geschafft hat, ein Früchtchen zu zeugen. Nein…. es würde mich freuen. Und der kleine Pflaumenbaum, tapfer, steht auch in voller Blüte – morgen werde ich sehen, was davon übrig ist.

Begegnungen

Kalt ist der Abendhauch

21:21 Uhr. Gleich ist wieder Ausgangssperre. Tatsächlich sind die Straßen leerer. Ich bin grade nochmal ins Theater gelaufen, um das Licht in dem NACHT-GEDANKEN-Kasten anzuknipsen. Seit heute hängt er am Zaun und beherbergt die von Menschen aufgeschriebenen Worte auch Bilder. Am Nachmittag hatte ich „Kinderdienst“ für meine Enkeltochter, 8 Jahre alt. Ich habe ihr von der Idee erzählt, das ich versuche wegen der nächtlichen Ausgangssperre ein Nachtbuch und kein Tagebuch, zusammen mit anderen Menschen zu schreiben. Das fand sie cool und prompt hat sie dafür mit Kreide ein Gedankenbild gemalt. Hm. Das kommt auch in den Kasten.

Impressionen

Frische Ostseeluft

Ich bin wütend, traurig und trotzdem hoffnungsvoll. Wütend, weil ich bei vielen Verordnungen und Bestimmungen den Sinn nicht verstehe und die Umsetzung solcher Maßnahmen unfassbare Auswüchse im täglichen Leben annimmt.

Wütend, weil ich selber an Corona erkrankt war und erlebt habe, wie Ämter und Behörden überfordert sind.

Impressionen

Zwischen Küchentisch und Herd

Heute merke ich die ersten Effekte dieses abendlichen In-mich-Gehens. Meine Gedanken strukturieren sich, sind nicht mehr so diffus. Seit drei Tagen denke ich über diese „Bundesnotbremse“ nach. Die müsste doch in einem „Bundeszug“ oder „Bundesstraßenbahn“ als Sicherheitsstandard eingebaut sein. Wenn ja, wüsste ich gern, wohin wir fahren. Und jetzt, wo die Bremse los ist, wohin schlingern wir, in welchem Gebüsch landen wir? Was sind die Kollateralschäden? Wie lassen die sich mildern? Oder schreibt man die einfach ab? Sind wir das, die Kulturschaffenden und die, die darüber berichten, die die Theater und Konzerte brauchen, weil sie sonst gar nicht atmen können?

Impressionen

Auf dem Herz halten die Kopfhörer so schlecht

2. Tag der neuen Zeitrechnung.

Vielleicht wird die Zeitrechnung ja irgendwann anstelle „vor oder nach der vermeintlichen Geburt Christi“ durch „vor oder nach des (Dauer)lockdowns“ ersetzt. Also wenn es denn ein danach gibt. Anlehnungen an dieses Szenario werden jedoch kompliziert, da eine erneute Volkszählung nicht ausgerufen wird – zu viele Menschen auf einem Haufen, die nicht Fußball spielen. Ja und es würde sicher auch viel einfacher digital zu regeln sein, wie ja alles im letzten Jahr zunehmend digital erwünscht wird und das auch noch normal und als besser als live betrachtet werden soll.

Impressionen

Dankbarkeit

Auch wenn dieses Jahr anders ist, andere Höhen und Tiefen mit sich bringt, so ist es doch ein Jahr welches Erinnerungen zeichnet, uns neue Erfahrungen lehrt, unser Leben prägt, aufwühlt, unseren Charakter formt, hoffen lässt, DANKBARKEIT großschreibt, für Veränderungen bereit ist, Angst aufkeimen lässt, Fremde zusammen bringt, antreibt, Humor als Stütze hält, Denkmuster aufbricht, entfernt, Verantwortung stärkt, bewusst macht, uns voranbringt, neue Bekanntschaften sät, Nichtigkeiten wegspült, aufdeckt, Mut nimmt und gibt, zulässt, Vertrauen erntet, belastet, Selbstverständlichkeiten in neuem Licht erscheinen lässt, hinnimmt, nach Schutz ruft, Schmerz weckt, zutraut, Leichtigkeit bedeckt, neue Wege und Ideen eröffnet, Entscheidungen abnimmt, einschränkt und Teil unseres Lebens ist. Teil eines bunten Lebens voller Farben.

Begegnungen

Marmeladentante

Am Morgen backe ich Brot. Brotbacken, Senfherstellung und Seifen sieden sind Dinge, die mittlerweile meinen Alltag beherrschen und ihn verschönern. Bis vor einem Jahr habe ich über alle gelächelt, die mich mit ihren selbst hergestellten Dingen beglücken wollten. Nun bin ich so eine „Marmeladentante“. Selbst meine mitten im Leben stehende, pragmatische Freundin G. hat uns neulich mit ihrem selbstgemachten Bärlauchpesto überrascht. Als wir dann noch Rezepte ausgetauscht haben, musste ich innerlich doch schlucken. Demnächst tragen wir über die ausgeleierten Jogginghosen, die unsere Alltagskleidung sind, Dederonschürzen. In meinem großem Kostümfundus, der seit sechs Monaten in den Kellerräumen verstaubt, findet sich vielleicht noch so ein Relikt aus der Hausfrauenära.