Impressionen

Fressschneisen der Holzerntemaschinen

Heut nacht friert es wieder. Gerade war der Pfirsichbaum aufgeblüht. Schon die letzte Nacht gab ihm zu viel Kälte, die Blüten heute waren dunkel und müde. Diese Nacht wird ihm den Rest geben. Die Aprikose? Es würde mich wundern, wenn es die ein oder andere Blüte geschafft hat, ein Früchtchen zu zeugen. Nein…. es würde mich freuen. Und der kleine Pflaumenbaum, tapfer, steht auch in voller Blüte – morgen werde ich sehen, was davon übrig ist.

Ich soll mich wohl darin üben, mich zu begrenzen, mich zu bescheiden und zu freuen an dem, das wächst und gedeiht. An dem, was greifbar, berührbar ist. – Je älter ich werde, desto mehr fällt mir meine ungeheure Unbescheidenheit auf. Ich will immer alles. Immer das pralle Leben. Will von allem etwas und nach allen Seiten die Sinne öffnen und aufnehmen, überall dabei sein, keine Farbe verpassen, keinen Duft. Meine Träume sind hochfahrend und weiträumig umfassend.

Mit Blick auf das Gärtlein heißt das: Am liebsten würde ich auch Melonen, Kiwi und Weintrauben wachsen lassen. Aber ich bin – wenn ich ehrlich bin – keine wirkliche Gärtnerin. Ich bin eine, die den Geruch der Erde mag, die jeden Regenwurm hätschelt und die die Vögel ganzjährig füttert. Ich bin eine, die als Kind dachte, dass die Erde ein großer Riese ist, auf dessen Kopf wir wie kleine Läuse herumkrabbeln. Bäume sind seine Zöpfe, Gras ist das feine Flaumhaar. Und wehe, wenn mein Vater den Spaten in die Erde stach, um sie umzuheben, für die Gartenerträge. Ich bin eine, die die Brennnesseln wachsen lässt und den Blumenkohl nicht halten kann. Ich würde am liebsten ein groooßes Grundstück haben wollen, um auch Wildwuchs stehen zu lassen und Büsche und Bäume. Ach, was sage ich, ich hätte gern einen Wald, nur ein kleines Stück…. – träumträum… dabei ist alles da, auch ohne dass es mir gehört.

Und heute endlich telefonierte ich mit unserem Förster. Ich sehe, unser Wald ist krank. Er ist struppig. Er leidet wie krankes Vieh. Und ich leide mit. Vor allem wenn ich dann noch die Fressschneisen der Holzerntemaschinen sehe, die sich jüngst durch das ohnehin struppige Waldwesen gefressen haben. Heut also rief ich endlich den Förster an. Fragte nach den gefräßigen Schneisen, drei Meter breit, alle zwanzig Meter aufgerissen bis hinauf auf den Kirchberg…- „Ich war das.“ sagte der Förster. Und hatte mit diesem Satz und so wie er ihn aussprach sofort meine Sympathie. „Wir können die Zeit der maschinellen Holzernte nicht mehr zurückdrehen.“ sagte er. Und dann erzählte er mir lange. Lange – und am Schluss war ich sehr berührt. Unser Wald und ein weiterer seien seine krankesten Waldgebiete. Viele Gründe: vor allem die Trockenheit. – Natürlich dachte und denke ich dass Rückepferde bei der Ernte den Wald schonen würden. Aber der Mann hat ja nicht einmal mehr Forstarbeiter. Offenbar ist dafür in der öffentlichen Hand kein Geld. Der Förster holt die Maschinenführer für die Holzernte von weit her. Meine Pferdeidee sprach ich gleich gar nicht an… viel zu sehr spürte ich, dass dem Mann sein Wald am Herzen lehnte, und er dennoch viel weniger ausrichten kann, als er im Grunde möchte. Ich gehe jetzt anders durch den Wald. Noch immer traurig. Zugleich bestätigt in meiner Sicht. Ausgesöhnt mit dem Förster. Nicht mehr wütend. Aber traurig.

Begrenzung üben. Vertrauen üben. Aushalten von Querschlägen. Leben. Und weiter gehen. 

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