Jetzt sind die schönen lauen Nächte, in denen ich, in meiner Erinnerung an FRÜHER, an der Ehle bei kleinen Feuern am Zelt gesessen habe. Überall entlang des stadtnahen Flüsschens waren solche kleinen Treffs. Durch die Nacht schallte entweder ein Lied wie „Morning has broken“ aus dem Sternkassettenrecorder oder etwa kaum 100 Meter weiter sang jemand zur Gitarre „knock, knock, knocking on heavens door“ aber noch weiter entlang des Ufers war trunkenes Grölen zu hören.
Erinnerungen
Alles wiederholt sich
Bevor meine Großeltern hochbetagt starben, 1993 und 1994, da verstanden sie die Welt nicht mehr. Plötzlich war alles anders geworden. Anderes Geld, neue Verträge, der kleine Laden, in dem sie ein Leben lang eingekauft hatten, schloss für immer. Ich konnte es ihnen nicht erklären, denn ich wusste auch nicht, was kommt.
Jetzt werden meine Eltern bald sterben. Auch sie verstehen die Welt nicht mehr. Die Bänke zum Ausruhen sind abgesperrt. Durch Masken genuschelte Auskünfte verstehen sie nicht. Sie müssen Zettel ausfüllen oder Bescheinigungen vorlegen, bevor sie eine Tasse Kaffee irgendwo bekommen. Ich kann es ihnen nicht erklären, denn ich weiß wieder nicht, was noch kommt.
Ein Leben ohne Theater ist möglich
Seitdem ich ungefähr 12 bin, gehe ich ins Theater. In den vergangenen ungefähr 45 Jahren gab es keinen Monat, in dem ich nicht ein Theater, ein Konzert, eine Ausstellung besucht hätte. In manchen Wochen mehrfach, an einzelnen Tagen ebenso.
Nun habe ich so viel gesehen und erlebt, da wird es auch mal eine Weile ohne gehen. Dachte ich zu Beginn des Verbotes. Eine leise Langeweile zog sich durch die Winterabende bis ins Frühjahr hinein.
Es war mehr Lachen früher
Mich im Kopf bewegen, ins Vergangene schauen:
Beim Spielen; Schulbänke gab es; Geruch nach süßsauren Eiern, die Kartoffeln stinken; Schorf so dick an beiden Knien; so müde noch zum ersten Bus laufen; auf dem Moped flieg ich durch den Sommertag; Küssen und Laufen;
die Haare kurz, die Haare lang; Hände fassen; Wein macht laut und leise; Blumensträuße füllen Räume, überall sind Augen die mich finden, Tränen schreien durch die Nacht
Die Salzprinzessin
Am Anfang kam ich mir immer vor, als wäre ich in einer riesigen Inzenierung des Märchens: „Des Kaisers neue Kleider“ und jeden Augenblick wache ich auf…
Das ich damit nicht alleine bin, hat mich vor kurzem etwas erleichtert (danke Natja Uhl!), frei nach Karl Valentin: „Wo alle das gleiche denken, wird nicht viel gedacht.“ Man lernt manche Menschen in der Kriese noch einmal ganz neu kennen und nicht nur das, auch die Sicht auf unser Land hat sich verändert.
Mit mir Gassi gehen
23.00 Uhr auf dem Werder. Wieder ist so ein unglaubliches Mondscheinen und Stille ringsumher.
Ich bin noch mal um’s Haus, mit mir Gassi gehen.
Gleich am Zolleck zerrede ich mit der Wirtin die Zeit, ein Piccolöchen macht es leichter. Vorm Theater wartet schon eine junge Frau und ihr Freund. Wenngleich es so aussieht aber nein, es ist kein Paar miteinander obwohl sie immer zusammen in die Angel gehen, schon zur Pension Kirschblüte. Auch 2003 haben sie schon gemeinsam Scherben an die Hochzeitswand geklebt. Dabei sehen sie noch so jung aus. Dreißig, vielleicht. An fast jeden Kanon können sie sich erinnern. Wenn’s wieder losgeht kommen sie wieder. Nicht mit ihren jeweiligen Partnern, das ist nicht dasselbe. Nur sie beide, als Freunde eben. Aber lang darf das nicht mehr dauern, sie brauchen das Theater für ihre Freundschaft sagen sie und winken noch.
Das Schöne ist schön
Das Schöne ist schön,
die Sehnsucht nach dem Schönsten, Überschönen oder vermeidlich Schönen versperrt uns jedoch die Sicht und führt uns in die Irre, eine große Verblendung, wir tapsen blind durch die Gegend, ohne es zu wissen.
Früher wurde es an manchem Abend in einer kleinen Villa auf dem Werder für einen Moment wieder hell und wir konnten es sehen, das Schöne. Ich hoffe auf noch viele wunderschöne helle Momente in naher Zukunft in Ihrem Hause.
Sommertrubel
Von unserer Wohnung im vierten Stock haben wir einen herrlichen Blick auf den Hasselbachplatz. Jeden Abend strahlt uns das rote „S“ an. Der Platz, ehemals Kneipen- und Flaniermittelpunkt, war immer wieder verschrien als laut, Brennpunkt der Stadt, wilder Treff aller Kulturen. Als wir 2015 hierherzogen, war dies auch unser erster Eindruck. Ich war Jerzy unendlich dankbar, dass er die vierte der zweiten Etage vorgezogen hatte. Manchmal war es vor unserer Haustür so voll, dass ich mich zum Eingang durch Menschenansammlungen drängeln musste und von hungrigen Blicken ausgezogen fühlte. Inzwischen bekommt uns das Leben hier, der Platz ist uns vertraut geworden, wir schätzen die nahen Wege überall hin, der Sommertrubel scheint weniger laut und „Tütchenverkäufer“ haben wir schon lange nicht mehr gesehen.
Wie schön es war und ist
Ich bin heute ruhig und ausgeglichen (kommt eher nicht so oft vor).
Und ich bin erfüllt von Dankbarkeit und schönen Erinnerungen und dem Bewusstsein, welches Glück ich habe.
Mein jüngstes „Kind“ von 3 Kindern wird in der kommenden Woche 18.
Erstenergie
Es ist 5 Minuten vor 22 Uhr, als ich das Auto wieder vor meinem Haus parke. In 10 Minuten greift die Ausgangssperre und ich, eine sehr erwachsene Frau, vor zwei Tagen gerade 54 Jahre jung geworden, muss zu Hause sein. An einem Abend, an dem man sich auch gut mit Freunden treffen könnte. Und überhaupt, es gibt keine Kinder zu versorgen, kein Hund, der Gassi muss und keinen Mann, der mault, wo ich denn noch hinwolle.