Ich habe schon immer gern geschrieben, kaum hatte ich die ersten Buchstaben gelernt, reihte ich sie zu Geschichten zusammen. Ich erfand mir Haustiere, Freunde, besondere Momente. Ich hatte eine gute Kindheit. Einfach weil mir immer Papier und Stifte zur Verfügung standen. Die Worte, mehr brauchte ich nicht, stimmen nicht. Aber Papier und Stift waren schon immer meine Flucht in den Märchenwald, mein Anker, meine Heilung. Spätestens als Teenager habe ich am liebsten nachts geschrieben. Die erste Liebe gehört unter die Bettdecke, der erste Weltschmerz auch. Die Dunkelheit schützt, macht weich und picklige Gesichter tragen immer rosa Brillen.
Als ich picklig rosa trug, fing ich an vom Nobelpreis für Literatur zu träumen. Oder, gleichwertig, von einem eigenen Buch, ausgestellt auf der Leipziger Buchmesse. Die Gedichte, die diesen Traum wahrmachten, sind fast alle nachts entstanden. Konzepte schrieb ich nachts, Briefe konnte ich nur nachts.
Ich war mal gut, allein mit mir und der Nacht.
Seit einem Jahr brauche ich keine Konzepte mehr schreiben, kann ich keine Geschichten mehr schreiben, Briefe auch nicht.
Ich schlucke alle Worte in meinen Bauch und der wird voller und voller. Mein Bauch erfindet sich jetzt Haustiere, Freunde, besondere Momente. Davon wird er warm. Ich helfe ihm indem ich Worte schlucke und Eis hiterherstopfe. Nachts bin ich satt und müde, schlaflos, unruhig, aber immer müde. Die Ausgangssperre interessiert mich nicht. Es ist ewig her, dass ich zwischen 22 und 5 Uhr unterwegs war. Schon der Gedanke, um die Zeit unterwegs zu sein, strengt mich an.
Sport ist wohl sogar bis 24 Uhr erlaubt, habe ich gehört. Bei dem Gedanken seufzt mein Bauch eisschwer. Nein, es fällt mir nicht schwer zu Hause zu bleiben. Die Nächte haben nicht wegen der Ausgangssperre ihren Zauber verloren. Aber ich habe irgendwann Papier und Stifte verloren. Und damit ist alles verloren.